Bad Neualbenreuth liegt am Fuße des Tillenbergs (tschechisch: Dyleň). Dieser ist die zweithöchste Erhebung des Oberpfälzer Waldes und ein „Wahrzeichen“ von Bad Neualbenreuth. Der Gipfel des Berges liegt bereits auf der tschechischen Seite. Die bayerisch-tschechische Grenze verläuft nordwestlich etwa 500 Meter entfernt und ca. hundert Meter unterhalb des Gipfels.
Über den Tillenberg gibt es zahlreiche Sagen: von der Tillenstadt, Berggeistern, Zwergen, die nach Granaten suchen bis hin zu dem Tillenschatz.
Die Tillenstadt soll eine sehr reiche Stadt mit habgierigen und geizigen Bewohnern gewesen sein, welche durch ihre verwerfliche Moral verflucht worden ist und im Erdboden versunken sei. Ebenso wird von einer Wahrsagerin mit dem Namen Sibylle Weis erzählt, von der das heutige Sibyllenbad seinen Namen erhielt.
Auf dieser Seite möchten wir Ihnen immen einen Teil der einzelnen Sagen vorstellen und deutlich machen, wie viele verschiedene Sagen es rund um den Tillenberg gibt. Ob die ein oder andere vielleicht doch der Wahrheit entspricht? Wir wissen es nicht. Lassen Sie sich jedoch von den einzelnen Sagen in ihren Bann ziehen.
Tillenstadt – Egerstadt
Eine alte Sage, neu empfunden von Lorenz Weiß
Es war einmal auf dem Tillenberge vor vielen, vielen Jahren eine große, reiche Stadt. Bis nach Neualbenreuth, Grafengrün und Maiersgrün sollen Wege hinabgelaufen sein. Feinhörige Leute vernehmen immer noch aus den Tiefen des Berges menschliche und tierische Laute. Die Tillenstadt war eine weit ausgebreitete, mächtige Stadt mit hohen Mauern, zahlreichen Patrizier- und Kirchtürmen. Das Glockengeläut der herrlichen Gotteshäuser erscholl weit in die Gaue diesseits und jenseits des Berges.
Die Einwohner dieser geheimnisvollen, goldgleißenden Stadt gingen in Samt und Seide. Die Gewänder der Frauen waren mit Gold- und Silberborten verziert. Die Männer trugen glitzernde Waffen, und in kostbaren Goldketten schritten sie auf samtroten, granatgepflasterten Wegen zum Gotteshaus und zum Rathaus. Die reichsten Bürger dieser Stadt waren Bergwerksbesitzer, Gold- und Waffenschmiede, Edelsteinschleifer und Kaufleute. Zu den Ärmeren zählten die Handwerker, die Gesellen, die Knechte und Mägde.
Doch je reicher die Bewohner wurden, um so geiziger und hartherziger führten sie sich auf. Denn das Gold und die Edelsteine, die sie dem Berginneren abgerungen hatten, verführten sie zu Wohlleben und Mordgier. Die Untergebenen quälten sie grausam und herzlos. Knechte und Mägde wurden wie Leibeigene behandelt und sittlich missbraucht. Der Fluch dieser Gedemütigten häufte sich und das Unheil schlich auf Katzenpfoten immer näher heran.
Für ihre Wege und Straßen taten die geizigen Tillenbürger außerhalb der Stadt so gut wie nichts. Überall klagten Fuhrleute über die beschwerliche Zufahrt. Die Flüche dieser Männer wurden immer heftiger und lauter, besonders dann, wenn die Räder der ächzenden Karren brachen oder im Schlamm versanken.
Einmal fuhr ein schwerer Wagen, voll mit wertvollen Tuchen, der Stadt zu. Dem mürrischen Fuhrmann glänzten schon von weitem die Zinnen der Stadt entgegen. Aber je näher er dem Ziel kam, umso beschwerlicher wurde der Weg. Ungeduldig hieb er auf die schweißtriefenden Pferde ein. Immer wieder musste er rasten, denn die Rösser waren mehr als erschöpft. Zum Schluss brach eine Achse, und die gesamte Ladung fiel in den Schmutz des Straßengrabens. Einen Augenblick stutzte der Fuhrmann, dann aber ballte er die Faust gen Tillenstadt und stieß mit furchterregender Stimme gellend folgenden Fluch aus:
„O du dreimal vermaledeite Stadt! Du Sitz des Lasters, du Sündenpfuhl mit deinem höllischen Geschlecht! Wenn du nur gleich in den Erdboden versinken würdest mit deinem ganzen Reichtum und deinen nichtswürdigen Menschen!“
Kaum waren diese Worte seinem Mund entflohen, da ertönte ein furchtbarer Donnerschlag, und der Tillen hüllte sich in eine dichte Nebelwolke. Danach aber war die Stadt verschwunden, in die unendliche Tiefe des Berges versunken.
Sie blieb es und bleibt es, heißt es in einer alten Prophezeiung, bis nach vielen Jahren ein Lastwagenfahrer vor den Häusern der ehemaligen Stadt Eger stehen wird, sie anhupt und sagt:
„Hier ist Egerstadt gestanden. Sie gibt es nicht mehr!“ In dieser Zeit, wo Egerstadt ganz verschwunden ist, wird Tillenstadt am Fuße des Berges in ihrem ganzen früheren Glanz aus der Tiefe des Berges neu auftauchen und wie vor undenklichen Zeiten über die Gaue diesseits und jenseits des Tillen erstrahlen und Menschen anlocken, die glücklich und zufrieden hier leben können.
„Der Tillenberg, „Hausberg aller Egerländer“ und ebenso der Neualbenreuther, ist gleichsam die Krönung unserer so reizvollen Fraischlandschaft.
In früherer Zeit gesegnet mit Vorkommen von edlen Metallen wie Gold und mit Edelsteinen (Granaten, Amethysten, Quarz und Analusitkristallen) wurde dieser Bergrücken an der Grenze zwischen Böhmen und Bayern – Wasserscheide auch und Kulturklammer, ebenso topographischer Punkt I. Ordnung im kartograohischen Netz „Mittelpunkt Europas“ – Anlaß zu vielen Sagen. (…)“
Drei Palitzer Burschen, die als hochbetagte Männer vielleicht heute noch leben, gingen zufällig an einem heiteren Palmsonntag vormittags auf den Tillen, aber sie dachten an keine Wunder, nur der schöne, freundliche Tag hatte sie in die grüne Natur und in den erwachenden Wald statt in die düstere Kirche gelockt. Auf dem Gipfel des Berges angelangt, wollten sie den herrlichen Ausblick genießen und stiegen an der Südseite des Felsengetrümmers auf den höchsten der Blöcke. Da bemerkten sie zu ihrem Erstaunen, dass der Stein, auf dem sie standen, ringsum mit vielen prächtigen Zapfen behangen war, großen und derberen, kleinen und zarteren dazwischen. Und da diese Gebilde nicht wie gewöhnliche Eiszapfen weiß oder wasserhell, sondern wunderschön gelb aussahen, so gehörte nicht viel Phantasie dazu, den Felsblock für einen Riesenkopf anzusehen, der eine goldene Krone trägt, aber mit dem Scheitel auf dem Boden ruht. Unsere Palitzer dachten zwar ein Weilchen nach, woher die Eiszapfen solche Färbung haben könnten, aber das lieblich zu ihnen herauflachende Egerland zog ihre Blicke so mächtig an, dass sie auf die Zapfen ganz vergessen hatte, als sie wieder heimwärts wandten. (…)
Im Egerlande, auch im Tillengebiet, ist es Sitte, dass zur Osterzeit die Patenleute ihren Patenkindern Ostergaben selbst ins Haus bringen oder dahin tragen lassen. Diese Gabe besteht allgemein in einem ringartigen Gebäck oder einem länglichen Weißbrot, in einem Süßgebäck und in einer Anzahl von Ostereiern (meist rot gefärbt). Aber unsere Spender kennen die Bedeutung vieler Ostergaben nicht mehr, denn diese Sitte geht bis in die Heidenzeit unserer Vorfahren zurück.
An einem Karfreitag ging einmal eine Bäuerin von Neu-Albenreut zu ihrem Patenkind nach Maiersgrün und trug ein einem Tuche eine Ostersemmel, eine Lebzelt-Docke und rote Eier für ihren blonden Liebling.
Weil die Straße, die gegewärtig die beiden Orte miteinander verbindet, damals noch nicht bestand, so ging das Weib auf einem Fußweg über den Tillen, auf einem Pfade, der eben nur Einheimischen bekannt ist.
Auf ihrer Wanderung kam sie in eine Schlucht, die sie nie bisher – und sie war den Weg schon oft gegangen – bemerkt hatte. Da sie sicher war, die Richtung zu haben, ihr auch der Steig nicht bedenklich vorkam, so schritt sie ohne Beängstigung weiter. Auch trug sie nebst der duftenden Semmel allerlei Gedanken mit, sodass sie kaum merkte, wie sie plötzlich in einem unterirdischen Saale stand. Aber der Glanz und Flimmer ringsrum weckte sie aus ihren Träumereien. Wie staunte sie jetzt! (…)
Es war vor vielen, vielen Jahren. Da stellte sich beim Schmied in Neu-Albenreut ein Kriegsmann ein. Der war gar seltsam anzuschauen: sein altes, wetterhartes Gesicht fiel durch mächtige, buschige Augenbrauen und einen ungemein großen, grauen Schnurrbart auf und er selber stak in einer allen Leuten fremden Uniform. Auch der Schmied, der doch als Handwerksbursche weit in der Welt herumgekommen war, hatte einen solchen Soldatenanzug weder im In- noch im Auslande gesehen. An seiner Linke baumelte und rasselte ein ungeheurer Säbel und an seinen Stulpstiefeln klirrten silberglänzende Sporen. Dieser wunderliche Krieger fragte den Meister, bis wann ihm eine ziemlich große Waschmulde voll Hufnägel geliefert werden könnte. Der Meister gab Bescheid.
Zur abgemachten Zeit erschien der Soldat wieder, um die Nägel abzuholen, und lud den Schmied ein, ihm die schwere Mulde tragen zu helfen, aber zuvor das Beschlagzeug auf die Nägel zu werden. Der Schmied tat nach Geheiß.
Sie kamen an den Tillen. Da stieß der Krieger mit seinem wuchtigen Säbel dreimal auf einen großen Stein des Felsens, dass es außen schrill klirrte und innen dumpf hallte und ein Tor sprang auf. Als der Soldat merkte, dass der Schmied stockend innehielt und am ganzen Körper zitterte, sprach er zum Jagenden: „Fürchte dich nicht! Dir soll nichts geschehen! Und tust du, was dir geheißen wird, so sollst du´s nicht bereuen, mit mir gegangen zu sein, aber schweig zu allem was immer auch du sehen magst!“
Nun traten sie ein und gingen eine ganze Weile bald rechts, bald links durch schmale, finstere Gänge ins Innere. Auf einmal kamen sie aus dem Dunkel in ein märchenhaftes Halbdunkel, in ein zauberisches Dämmerlicht, das von einer Unzahl funkelnder Gesteine in der hohen Decke des Riesengewölbes ausging und den Blicken auf dem Boden dieser schaurig schönen Halle – eine ganze Stadt schauen ließ. Sie gingen durch Gassen und Gässchen und über Plätze, bis der Führer vor einem weitläufigen Gebäude anhielt, es war die Kaserne. (…)
In Palitz verbreitete sich einmal die Nachricht, dass einzelne Leute, die vom Tillen herabgekommen, auf einem Feld am Waldrand einen Schatz hätten brennen sehen. Da verabredeten sich zwei: wer von beiden den brennenden Schatz zuerst wahrnimmt, der verständigt den anderen in bewusster Art, damit sie gemeinsam hingingen und ihn höben. In bewusster Art, denn es war jedem bekannt, dass sowohl bei der Verständigung als auch während der ganzen gefährlichen Verrichtung kein Sterbenswörtlein gesprochen werden durfte.
Und richtig! Der eine, namens Schwarzen-Hansadl, sah den brennenden Schatz zuerst und in freudiger Erregung ging er zu seinem Bundesgenossen, dem Lattichkaschpa um ihn zu wecken, denn es war gegen Mitternacht. So leicht aber war die Sache für den Hansadl nicht, war doch der Kaschpa etwas schwerhörig und er musste tüchtig ans Fenster pochen, ehe sich Kaspars Kopf durchs Guckfenster schob. Zum Glück war es dem Hansadl gelungen, seinen Gefährten noch rechtzeitig am Sprechen zu hindern und den Zweck des Weckens durch Gebärden deutlich zu machen.
Unterwegs wollte Kaschpa, der ein leidenschaftlicher Schnupfer war, eine Prise Tabak nehmen, um sich für das unheimliche Unternehmen zu stärken. Doch da er diese vergnügliche Kräftigung der Nerven während des Gehens vollziehen wollte, so stolperte Kaschpa, als er eben Daumen und Zeigefinger in die Dose führte, über einen Stein und die Sandauer samt ihrem kostbaren Inhalte lag auf dem Boden. Gereizt durch dieses Missgeschick, stieß er, ohne die Folgen zu bedenken, die Worte hervor: „Dös is owa du-!“ – „Zum Kuckuckholen“ sollte der Satz schließen, aber dazu kam´s nicht mehr. (…)
Ein reicher Bauer in Grafengrün war im Geruche, dass er entweder ein Sonntagskind sein oder mit dem Bösen im Bunde stehen müsse, denn alles im Leben glückte ihm. Man wusste, dass er als Hirtenbube ins Dorf gekommen war und als Knecht die Bauerntochter geheiratet hat, man sagte, seine Kühe gäben mehr Milch, seine Felder trügen mehr Getreide als bei den übrigen Bauern. So war er Gegenstand scharfer Beobachtung, allgemeinen Neides. Aber wer ohne Vorurteil hinsah, konnte die Erklärung finden. Der Beneidete war als Hirtenknabe ehrlich, brav, als Knecht tüchtig, fleißig und auch Schmuck, war es ein Wunder, dass er Bauer wurde? Und wenn seine Wirtschaft weit bessere Erträgnisse erzielte als die anderen Höfe, so hatte er dies seiner sorgfältigen Behandlung des Viehes und des Bodens zu danken, späterhin freilich auch einer verderblichen Leidenschaft.
Einmal nur in seinem bisherigen Leben hatte er übernatürliche Hilfe gesucht. Sobald er als Knecht das Herz der Bauerntochter gewonnen hatte, hielt er beim Vater um die Hand der einzigen Tochter an. Der Bauer lobte ihn zwar wegen seines Fleißes und seiner guten Lebensführung, aber seine Armut sei ein unüberwindliches Ehehindernis. Er verwies ihn auf spätere Zeit. Der Arme wollte und musste nun reich werden und deshalb ging der betrübte Freier am nächsten Palmsonntag auf den Tillen. Und wirklich fand er oben das Tor zum Schatze offen, trat ein, füllte seine Taschen mit Talern an und gelangte glücklich wieder ins Freie, bevor sich der Felsen schloss. Rosel und Hof wurden fein.
Doch fühlte er sich nur kurze Zeit glücklich; der Fluch des Tillenschatzes fing an zu wirken: der junge Bauer wurde habsüchtig, geizig. (…)